Wo für deutsche Jung-Eliten Krimsekt, Wodka und Millionen flossen - dienten die von Gazprom & Co. gesponsorte Luxus-Events als Nachwuchsschmiede der Kreml-Lobby? Wir haben gemeinsam mit @correctiv recherchiert.
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Die Gründungslegende legt nahe, das Format der Deutsch Russischen Young Leaders Konferenzen sei von eher unpolitischen, neugierigen Studenten der Berliner Humboldt Uni gegründet worden. Tatsächlich spielen offenbar der russische Botschafter Vladimir Kotenev, seine Familie, die Tochter des RWE-Chefs sowie ein McKinsey-Mann eine wichtige Rolle bei Gründung und Steuerung des Vereins, der hinter den Konferenzen steht, im Januar 2011.
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Der McKinsey-Deutschlandchef Mattern hatte laut @businessinsider Ende 2010 Kotenev sinngemäß Hilfe angeboten, um die Stimmung in Deutschland pro russisches Gas zu drehen: Die Firma habe den Aufbau eines „tiefen Verständnisses zur Entwicklung der europäischen Gasnachfrage“ empfohlen, um so die „Lobbyarbeit“ auf politischer Ebene zu unterstützen. Mattern plädierte demnach für „die Gewinnung von Verbündeten“ und „durchdachte Events“. Kotenev, bis Juli 2010 als Botschafter noch ranghöchster Russe in Deutschland, jetzt bereits Chef der GAZPROM Germania, beißt an: Im Januar 2011 beauftragt er McKinsey, in demselben Monat entsteht der Verein, der die Young Leaders Events organisiert. Ein McKinsey-Mann ist von Beginn an im Vorstand. McKinsey wird auch Sponsor. Für Unterstützungsleistungen hat Gazprom McKinsey insgesamt rund 50 Millionen Euro überwiesen (business insider). Die Young Leaders-Webseite weist den McKinsey-Chef später als Kurator des Vereins aus.
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Die Teilnehmer der Young Leaders Konferenzen waren handverlesen, sie wurden offenbar persönlich ausgewählt oder auf Empfehlung zugelassen. Unter den Teilnehmern: dutzende Personen von McKinsey, eine ähnliche Mannstärke von Gazprom, reichlich Jungunternehmer mit Gasbezug und auffällig viele Adelige, wie Young Leaders-Geldbeschaffer Alexander von Bismarck. Der fiel schon als Fake Wahlbeobachter (auf Einladung der DUMA) in Russland auf, gemeinsam mit dem weiteren „Young Leader“ Hans-Werner Dünn vom Cybersicherheitsrat Deutschland e.V.. Dünn unterzeichnete 2019 mit dem hochdekorierten russischer Geheimdienstveteran Vladislav Sherstyuk eine Kooperationsvereinbarung und spielte eine Schlüsselrolle in der 2022 von uns @policy_networks mit @janboehm aufgedeckten Infotecs/Schönbohm-Affäre (Schönbohm musste gehen, Dünn aber blieb).
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Eine Teilnehmerin berichtete uns von einem „Saufgelage“, einem „Luxus-Event“, bei denen „unfassbar viel Geld im Spiel“ gewesen sei - und von bizarren Szenen: in Sotschi mussten beim Abspielen der russischen Nationalhymne alle aufstehen und ihre Hand aufs Herz legen. Pathos zum bonding. Inhaltliche Diskussionen gab es demnach kaum, dafür aber Raum für unwidersprochene russische Propaganda, der „Notwendigkeit“ der Krimannexion.
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Die Veranstalter halten gegen, sie hätten auch Dissidenten eingeladen, die seien aber wg. der wohl anwesenden Geheimdienstleute stumm geblieben.
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Wie viele russische Geheimdienstleute dabei waren, ist unklar, aber es kursieren Namen. Deutsche ohne Russischkenntnisse wurden mit Russen in Zweibettzimmern untergebracht. Betreuung total. Sonst kein Zuschuss, etwa von der Konrad Adenauer Stiftung, so eine Teilnehmerin.
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Woher kam überhaupt das viele Geld für all die opulenten Luxus-Events? Die teuren Galaessen in Deutschland seien von den Gastgeberstädten Dresden, München und Hamburg bezahlt worden. Doch diese können sich partout nicht daran erinnern. Sponsoren, darunter McKinsey, Gazprom, Porsche halten sich bedeckt. Und der Verein gibt an, er habe dazu halt keine Unterlagen mehr. Fragen zu den Finanzströmen bleiben im Dunkeln.
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Im Kuratorium saß neben Lars Klingbeil u.a. Irina Nikitina. Sie ist nicht „Young“, aber die Patentante von Putins Tochter. Nikitinas Ex-Mann Roldugin (Spitzname „Putins Brieftasche“) soll Putins Millionen in der Schweiz verwaltet haben. In einem aktuellen Geldwäscheprozess verwies der Staatsanwalt auf ein Vermögen auf Roldugins Konten i. H.v. rund 30 Millionen Franken und nennt Roldugin einen Strohmann. Banker wurden in der Causa erst letzte Woche verurteilt. Putins Leute sind nicht weit entfernt.
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War das Deutsch Russische Young Leaders Forum eine Einflussorganisation zum Heranziehen einer neuen Generation von Russland- und Gaslobbyisten? Vieles spricht dafür: handverlesene Teilnehmer treffen auf viele Gazprom-Emissäre; für kritische Diskussion gibt es keinen Raum, dafür aber kernige Propaganda; es strömten neben reichlich Wodka und Krimsekt (Teilnehmer: „immer gab es Alkohol“) wohl auch Millionen für die Luxus-Sausen. An die Geldbeträge will sich jedenfalls niemand mehr so recht erinnern können.
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Das Young Leaders Forum und der dahinter liegende als gemeinnützig (!) anerkannte Verein Deutschland Russland - die neue Generation e.V. tauchen u.W. über all die Jahre seit 2010 in keinem der Berichte des Verfassungsschutzes auf.